Richtlinie des Rates mit Vorschriften zur Bekaempfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts

 

Am 19. Juli 2016 wurde in dem Amtsblatt der Europaeischen Union die Richtlinie des Rates (EU) 2016/1164 vom 12. Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekaempfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts (nachstehend "Richtlinie" genannt) veröffentlicht.

Zur Einleitung: Die Richtlinie ist einer der "sekundaeren" Rechtsakte der Europaeischen Union (genauso wie z.B. eine Verordnung, Entscheidung, Empfehlung im Gegensatz zu den "primaeren" Rechtsakten wie z.B. Vertraegen). Sie dient gewöhnlich der Vereinheitlichung der Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten und kann sich an einen, mehrere oder an alle Mitgliedstaaten richten. Die Richtlinien sind Akte mit besonderem Charakter, die fuer die EU-Mitgliedstaaten verbindlich sind, an welche sie sich richten. Sie lassen allerdings den inlaendischen Behörden Freiheit bezueglich der Wahl der Form und Rechtsmittel zur Erreichung der darin vorgesehenen Ziele. Aus diesem Grund bedarf eine Richtlinie der Implementierung (Umsetzung) in die nationale Rechtsordnung. Grundsaetzlich können die Vorschriften einer Richtlinie nicht unmittelbar angewandt werden. Wenn die darin enthaltenen Regelungen aber praezise genug sind, ist es möglich, sich darauf zu berufen, wenn:

  • ein Mitgliedstaat die jeweilige Richtlinie nicht implementiert hat oder
  • die Vorschriften, die durch die Implementierung eingefuehrt wurden, der Richtlinie widersprechen.

Die Maßnahmen, auf welche die Vorschriften der Richtlinie ausgerichtet sind, betreffen die Situationen, in welchen Steuerpflichtige Handlungen vornehmen, die darauf abzielen, die zu entrichtende Steuer zu reduzieren, die dem tatsaechlichen Zweck der Rechtsvorschriften widersprechen und in der Ausnutzung der Unterschiede zwischen den nationalen Steuersystemen bestehen. Die Richtlinie begruendet die Vorschriften zur Vorbeugung der Steuervermeidung z.B. in folgenden Bereichen:

  • Einschraenkung der Möglichkeit des Zinsabzugs;
  • Besteuerung nicht realisierter Kapitalgewinne bei Verlagerung von Vermögenswerten, Verlegung des Steuersitzes oder der belegenen Betriebsstaette;
  • Allgemeinklausel zur Bekaempfung der Steuervermeidung (GAAR);
  • Grundsaetze ueber beherrschte auslaendische Gesellschaften (CFC) und
  • Rechtsrahmen, die die Folgen der Abweichungen in der Einstufung der hybriden Gestaltungen neutralisieren.

Einschraenkung der Möglichkeit des Zinsabzugs

Die Richtlinie setzt die Einschraenkung der Möglichkeit des Abzugs von Netto-Finanzaufwendungen (d.h. Betrag, um den die Finanzausgaben die Finanzeinnahmen uebersteigen) durch den Steuerpflichtigen durch Einfuehrung einer Begrenzung des Betrags der Zinsen auf Außenfinanzierung, die der Steuerpflichtige im Laufe eines Steuerjahres abziehen kann, voraus. Die Netto-Zinsausgaben werden nur bis zu 30 Prozent des Finanzergebnisses des Steuerpflichtigen vor Zinsen, Besteuerung, Wertminderung und Abschreibung (EBITDA) oder bis zu 3 Mio. Euro abgezogen werden können.

Besteuerung nicht realisierter Kapitalgewinne bei Verlagerung von Vermögenswerten, Verlegung des Steuersitzes oder der belegenen Betriebsstaette

Die Richtlinie enthaelt Regelungen zur Besteuerung nicht realisierter Kapitalgewinne bei Verlagerung von Vermögenswerten, Verlegung des Steuersitzes oder der belegenen Betriebsstaette. Die eingefuehrten Vorschriften sind mit der Verlegung des Steuersitzes oder Verlagerung von Vermögenswerten (die nicht realisierte Gewinne umfassen) durch die Steuerpflichtigen in Laender, die ein niedrigeres Besteuerungsniveau anbieten, verbunden. Die Richtlinie regelt die Besteuerung der zu verlagernden Vermögenswerte (zum Zeitpunkt der Verlagerung) in einer Höhe, die ihrem Marktwert entspricht, reduziert um den Wert fuer die Steuerzwecke, falls:

  • der Steuerpflichtige Vermögenswerte von seinem Geschaeftssitz an seine belegene Betriebsstaette in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland uebertraegt;
  • der Steuerpflichtige Vermögenswerte von seiner in einem Mitgliedstaat belegenen Betriebsstaette an seinen Geschaeftssitz oder an eine andere Betriebsstaette in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland uebertraegt;
  • der Steuerpflichtige seinen Steuersitz in einen anderen Mitgliedstaat oder in ein Drittland verlegt;
  • der Steuerpflichtige seine in einem Mitgliedstaat belegene Betriebsstaette in ein anderes Land verlegt.

Allgemeingrundsatz zur Verhinderung von Missbrauch (GAAR)

Die Aufgabe des Allgemeingrundsatzes zur Verhinderung von Missbrauch ist die Fuellung etwaiger Luecken in den detaillierten Vorschriften des jeweiligen Landes ueber die Steuervermeidung. Auf dessen Grundlage werden die Steuerbehörden berechtigt sein, Unternehmen die Vorteile abzusprechen, die im Zusammenhang mit der Durchfuehrung von Handlungen erlangt wurden, die als Missbrauch gelten. Gemaeß dem Inhalt des Artikels 7 der Richtlinie werden unangemessene Handlungen des Steuerpflichtigen, deren Ziel es ist, einen Steuervorteil zu erlangen, der den Gegenstand oder Zweck der Steuervorschriften, die anzuwenden waeren, in Frage stellt, bei der Ermittlung der aus der Körperschaftsteuer resultierenden Verbindlichkeiten nicht beruecksichtigt. Als unangemessen gilt eine Handlung in dem Umfang, in welchem sie wirtschaftlich nicht begruendet ist.

Vorschriften ueber beherrschte auslaendische Gesellschaften

Die Vorschriften ueber beherrschte auslaendische Gesellschaften sehen vor, dass die Einkuenfte einer abhaengigen auslaendischen Gesellschaft, die niedrig besteuert werden, dem herrschenden Unternehmen zugeordnet werden. Als Folge davon muss die herrschende Gesellschaft die Ertragsteuer im Staat ihrer Ansaessigkeit zahlen. Ziel der Einfuehrung der Vorschriften ist es, den Anreiz der Unternehmer zu einer solchen Verlagerung von Einkuenften, damit diese mit einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden, zu beseitigen.

Abweichungen in der Einstufung der hybriden Gestaltungen

Die Regelungen ueber die Abweichungen in der Einstufung der hybriden Gestaltungen zielen darauf ab, deren negative Folgen zu neutralisieren, die u.a. im doppelten Abzug oder im Abzug der Einkuenfte in einem Land, ohne dass diese der Besteuerungsgrundlage in einem anderen Land hinzugefuegt werden, bestehen. Zur Sicherstellung einer effizienten Bekaempfung der Abweichungen:

  • in dem Umfang, in dem die Abweichung in der Einstufung der hybriden Gestaltungen zum doppelten Abzug fuehrt, wird der Abzug ausschließlich in dem Mitgliedstaat gewaehrt, in dem eine solche Zahlung ihre Qualle hat;
  • in dem Umfang, in dem die Abweichung in der Einstufung der hybriden Gestaltungen zum Abzug ohne Identifizierung der Einnahmen fuehrt, verweigert der Mitgliedstaat des Steuerzahlers den Abzug einer solchen Zahlung.

Zusammenfassung

Das Inkrafttreten der Richtlinie erfolgt innerhalb von 20 Tagen nach Veröffentlichung. Die Konsequenz des Erlassens der Richtlinie ist die Pflicht zur Implementierung deren Inhalts in das polnische Steuerrecht. Der Richtlinie zufolge haben die Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 2018 Zeit dafuer und die Vorschriften sollen spaetestens ab dem 1. Januar 2019 gelten. Davon ausgenommen sind die Vorschriften ueber:

  • die Besteuerung nicht realisierter Kapitalgewinne, die bis zum 31. Dezember 2019 zu implementieren sind und ab dem 1. Januar 2020 angewandt werden;
  • die Einschraenkung der Möglichkeit des Zinsabzugs, die nach Annahme aehnlicher Regelungen durch die OECD-Laender oder spaetestens ab 2024 in Kraft treten, wobei die Möglichkeit einer spaeteren Einfuehrung der gegenstaendlichen Vorschriften ausschließlich die Mitgliedstaaten betrifft, die bereits nationale Vorschriften haben, die auf die Vorbeugung gegen die Risiken der Erosion der Steuerbasis und der Verlagerung von Gewinnen ausgerichtet sind, die genauso wirksam wie die in der Richtlinie genannte Einschraenkung der Möglichkeit des Zinsabzugs sind.

Zurzeit weiß man nicht, in welcher Gestalt die Vorschriften implementiert werden, z.B. auch wegen der Tatsache, dass Polen einen Teil der vorgeschlagenen Lösungen schon eingefuehrt hat. Wir hoffen nur, dass der Gesetzgeber keine sich ueberlappenden, unterschiedlichen Steuerklauseln einfuehrt. Wir hoffen auch darauf, dass die Richtlinie die Arbeiten an der Einfuehrung einer gemeinsamen, konsolidierten Besteuerungsgrundlage fuer Körperschaften nicht verzögert, die dafuer sorgen sollte, dass sie gerechter und effektiver besteuert werden.

 

Sollten Sie Fragen dazu haben oder möchten Sie dieses Thema naeher besprechen, dann steht Ihnen unser Experte Przemysław POWIERZA jederzeit gerne zur Verfuegung.

E-Mail: [email protected]

Tel. +48 61 8515 766

Fax +48 61 8515 786