Nicht nur der Pool-Leader zahlt die Quellensteuer fuer Zinsen aus dem Cash-Pooling-Vertrag.

 

Vor kurzem faellte das Oberste Verwaltungsgericht (im Folgenden: OVG) ein fuer Steuerpflichtige unguenstiges Urteil ueber die Besteuerung des sog. Cash-Poolings. Im Urteil vom 16. September 2016, Aktenzeichen II FSK 2299/14, erkannte das OVG fuer Recht an, dass der Pool-Leader nicht als Eigentuemer aller auf das Gruppenkonto eingezahlten Forderungen gelten kann, da er nicht berechtigt ist, nach eigenem Ermessen ueber die Zinsen zu verfuegen. Das Gericht hat betont, dass die Möglichkeit einer formalen Verfuegung ueber die Forderungen der tatsaechlichen Verfuegung nicht gleichgestellt ist. In diesem Tax-Alert möchten wir Ihnen den vom OVG gebilligten Standpunkt naeherbringen.

 

Der Fall betraf eine Gesellschaft, die beabsichtigte, einem System zum gemeinsamen Liquiditaetsmanagement im Rahmen einer Unternehmensgruppe beizutreten (im Folgenden: Cash-Pooling), dessen Ziel es war, die  finanzielle Liquiditaet aller beteiligten Unternehmen zu optimieren und die Fremdkapitalkosten zu senken. Fuer die technische Abwicklung des Cash-Poolings sorgt eine auslaendische Bank, die ein sog. Gruppenkonto (das als Hauptkonto fungierte) fuer ein Unternehmen mit Sitz in Norwegen eröffnet hat, das Teil einer Unternehmensgruppe war (sog. Pool-Leader), zu der auch die klagende Gesellschaft gehörte. Der Pool-Leader fuehrte seine Mittel dem Cash-Pooling-System zu und war fuer die Verwaltung des Systems verantwortlich. Die Gesellschaft hat in ihrem Antrag auf Erteilung einer Auskunft zur individuellen Auslegung der steuerrechtlichen Vorschriften die Frage gestellt, ob Art. 21 Abs. 3 des poln. Körperschaftsteuergesetzes (im Folgenden: KStG) auf die Besteuerung von Zinszahlungen an den Pool-Leader Anwendung findet, wodurch diese Zinsen von der Quellensteuer befreit werden können. Falls dies verneint wuerde, wollte die Gesellschaft wissen, ob Art. 11 des Abkommens zwischen der Republik Polen und dem Königreich Norwegen vom 9. September 2009 zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Bekaempfung der Steuerhinterziehung im Bereich von Ertragsteuern (im Folgenden: AVD) auf die Besteuerung dieser Zinsen Anwendung findet. 

Nach Ansicht des Finanzministers (im Folgenden: FM) kann die Gesellschaft die in Art. 21 Abs. 3 KStG vorgesehene Befreiung nur auf jene an den Pool-Leader ausgezahlte Zinsen anwenden, deren tatsaechlicher Empfaenger dieser ist, d.h. auf Zinsen, die ihm als Systembeteiligten zustehen. Hinsichtlich der Möglichkeit der Anwendung des AVD teilte der FM mit, dass die Bestimmungen des AVD lediglich auf solche Unternehmen Anwendung finden, die tatsaechliche Empfaenger der Zinsen sind, wobei der Pool-Leader nicht der endgueltige Eigentuemer aller von der Gesellschaft bezahlten Zinsen ist.

Das Woiwodschaftsverwaltungsgericht Gdańsk hat in seinem Urteil den vorhergehenden Standpunkt des FM geteilt. Es war der Meinung, dass wenn ein polnisches Unternehmen in einer in Art. 26 Abs. 1 KStG genannten Situation Forderungen (Zinsen) an einen Gebietsansaessigen eines anderen Landes auszahlt, der selbst nicht anspruchsberechtigt auf diese Zinsen ist, das Recht der polnischen Seite auf Besteuerung dieser Forderungen innerhalb Polens nicht beschraenkt ist. In der Folge hat die Gesellschaft in erster Linie die Identitaet des Steuerpflichtigen zu ermitteln, dem die Zinsen zugefuehrt werden, und dann je nach dessen Wohnort oder Geschaeftssitz die Bestimmungen des entsprechenden Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden, damit der entsprechende Steuersatz bestimmt werden bzw. auf die Steuererhebung verzichtet werden kann, falls das Abkommen eine solche Möglichkeit vorsieht.

Die obigen Ausfuehrungen hat das OVG im hier besprochenen Urteil bestaetigt. Im aktuellen Fall spielte die Erlaeuterung des Begriffs "Eigentuemer der Zinsen" im Sinne von Art. 11 Abs. 2 AVD i. V. m. Art. 21 Abs. 1 Ziffer 1 und Abs. 2 und Art. 26 Abs. 1 KStG eine zentrale Rolle. Das OVG hat darauf hingewiesen, dass es in Ermangelung einer Definition des Begriffs "Eigentuemer der Zinsen" (d.h. Empfaenger der Forderungen) in den Regelungen des AVD schluessig ist, auf die zivilrechtliche Bedeutung dieses Begriffs und vor allem auf die Auslegungshinweise Bezug zu nehmen, die im OECD-Musterabkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung als dem Prototyp des Abkommens und im offiziellen Kommentar hierzu enthalten sind. Als Eigentuemer der Zinsen im Sinne von Art. 11 Abs. 2 AVD gilt in diesem Zusammenhang in Anlehnung an diese Auslegungshinweise ein Unternehmen, das berechtigt ist, ueber die Zinsen zu verfuegen (tatsaechlicher Beguenstigter).

Nach Meinung des OVG schraenkt ein Cash-Pooling-Vertrag das freie Verfuegungsrecht ueber die Mittel durch den Pool-Leader ein. Somit ist es auch nicht mehr möglich, diesen als tatsaechlichen Beguenstigten zu behandeln. Der Pool-Leader kann also nicht als Anspruchsberechtigter auf die Zinsen gemaeß Art. 11 AVD im Hinblick auf saemtliche auf ein Gruppenkonto ueberwiesenen Zinsen bezeichnet werden, da er lediglich als Vermittler fungiert und nicht berechtigt ist, nach eigenem Ermessen ueber diese zu verfuegen.

Die Auffassung des OVG im aktuellen Fall wird in frueheren Entscheidungen des OVG, u.a. in den Urteilen vom 11. Juni 2015, Aktenzeichen II FSK 1518/13 und vom 2. Maerz 2016, Aktenzeichen II FSK 3666/13, bestaetigt.

Die Steuerbehörden und Verwaltungsgerichte sind uebereinstimmend der Ansicht, dass der Pool-Leader nicht als Eigentuemer aller auf das Gruppenkonto ueberwiesenen Forderungen gelten kann, da er nicht berechtigt ist, nach eigenem Ermessen ueber die Zinsen zu verfuegen. Folglich ist ein Steuerzahler, der von den guenstigen Steuerlösungen gemaeß Art. 21 Abs. 3 KStG oder Art. 11 des entsprechenden Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Gebrauch machen will, zur Feststellung verpflichtet, wer der tatsaechliche Verfuegungsberechtigte hinsichtlich der Zinsen aus dem Cash-Pooling-Vertrag ist.

Abschließend lohnt es sich, darauf hinzuweisen, dass ab dem 1. Januar 2017 kraft des poln. Gesetzes vom 5. September 2016 zur aenderung des Einkommensteuergesetzes und des (poln. GBl. FN. 1550) Art. 21 Abs. 3 Ziffer 4 KStG um eine Bestimmung erweitert wird, wonach der Empfaenger der Forderungen deren tatsaechlicher Eigentuemer (sog. "beneficial owner") zu sein hat. Nach dem neuen Art. 4a Ziffer 29 KStG gilt hingegen ein Rechtstraeger als tatsaechlicher Eigentuemer, der eine Forderung zu seinem eigenen Vorteil erhaelt und selbst kein Vermittler, Vertreter, Treuhaender oder anderer Rechtstraeger ist, der verpflichtet ist, die gesamte Forderung oder einen Teil davon einem anderen Rechtstraeger zu ueberlassen. Die Novelle schafft die bisherigen Auslegungsunterschiede ab. Die neuen Vorschriften bestimmen eindeutig, dass eine Gesellschaft, die Lizenzgebuehren und Zinsen erhaelt, deren tatsaechlicher Eigentuemer sein muss.

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