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Insolvenz des Schuldners – kann man die Mehrwertsteuerermäßigung wegen uneinbringlicher Forderungen in Anspruch nehmen?

Daniel WIĘCKOWSKI
Tax Director bei RSM Poland

Im 1. Quartal 2019 stieg die Anzahl der Insolvenz und Restrukturierungsverfahren im Vergleich zu der gleichen Periode im Vorjahr von 213 auf 224[1]. Unter den Branchen mit dem höchsten Insolvenzrisiko wurde der höchste Anstieg der Verfahren in dem Großhandel (sogar 41%) notiert.

Die Eröffnung eines Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahrens heißt, dass die Chancen des Gläubigers Ausstellers einer Rechnung für das Zurückgewinnen der ihm zustehenden Finanzmittel deutlich sinken. Leider verpflichtet der Verkauf einer Ware oder sonstiger Leistung den Verkäufer zur Abrechnung des Umsatzes für Zwecke der Körperschaftsteuer bzw. Einkommensteuer und Mehrwertsteuer unabhängig davon, ob der Schuldner seine Verbindlichkeit termingerecht beglich oder nicht.

In Bezug auf die Körperschaftsteuer und Einkommensteuer ermöglicht die Eröffnung eines Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahrens dem Gläubiger, eine Wertberichtigung auf die Forderung vorzunehmen, welche die abzugsfähigen Betriebsausgaben belastet. Somit wird das steuerbare Einkommen durch den entsprechenden Wertminderungsaufwand gemindert.

Während ein gegenüber dem Schuldner geführtes Insolvenz- oder Restrukturierungsverfahren die Beseitigung der negativen Folgen der Zahlungsrückstände im Bereich der Ertragsteuern ermöglicht, ist die ähnliche Vorgehensweise im Bereich der Umsatzsteuer leider ausgeschlossen.

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Gemäß den polnischen Regelungen kann ein Umsatzsteuerpflichtiger die von ihm geschuldete Steuer dann mindern, wenn die Forderung aus der von ihm ausgestellten Rechnung innerhalb von 90 Tagen nach Ablauf der Zahlungsfrist weder beglichen noch veräußert wurde (die sog. Mehrwertsteuerermäßigung wegen uneinbringlicher Forderungen). Der Gläubiger kann diese Steuerermäßigung jedoch nur dann in Anspruch nehmen, falls am Vortag der Abgabe der USt-Voranmeldung, in welcher die geschuldete Steuer herabgesetzt wird, gegenüber dem Schuldner kein Insolvenz- bzw. Restrukturierungsverfahren anhängig ist.

Was bedeutet das für die Gläubiger dieser 224 Unternehmen, bei denen ein Insolvenz- oder  Restrukturierungsverfahren im 1. Quartal dieses Jahres eröffnet wurde? Durch die Vornahme von Wertberichtigungen können sie die wirtschaftliche Last für die Einkommen-/Körperschaftsteuer zum Teil ausgleichen. Dagegen müssen sie die Umsatzsteuer an das Finanzamt „aus eigener Tasche” bezahlen, obwohl sie keine Vergütung aus der ausgestellten Rechnungen erhalten haben.

Ist solch eine Lösung richtig? Ein Grundsatz in Bezug auf die Mehrwertsteuer, der sich nicht nur aus den polnischen Gesetzen, sondern vor allem aus der Richtlinie 112 herleitet, ist die Neutralität dieser Steuer. Die Neutralität ist hier nicht nur als das Recht auf Abzug der auf der früheren Stufe des Umsatzes bezahlten Steuer, sondern auch als das Verbot verstanden, den Steuerpflichtigen mit den Kosten für diese Steuer zu belasten. Aufgrund der Analyse der Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union kann man unmittelbar schlussfolgern, dass der Steuerpflichtige nicht verpflichtet sein darf, die Kosten für diese Steuer „aus eigener Tasche” zu begleichen.

Am 6. Dezember 2018 legte das Oberverwaltungsgericht (NSA) dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsversuchen vor, ob die Anwendung der „Mehrwertsteuerermäßigung wegen uneinbringlicher Forderungen” unter Voraussetzung, dass gegenüber dem Schuldner kein Insolvenzverfahren anhängig ist, dem EU-Recht entgegensteht. Erhält der Gerichtshof seinen bisherigen Standpunkt aufrecht, dann können die Steuerpflichtigen, die bisher kein Recht auf die Inanspruchnahme der „Mehrwertsteuerermäßigung wegen uneinbringlicher Forderungen” hatten, ihr Geld zurückgewinnen.

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[1] Coface-Bericht: Insolvenzen und Restrukturierungen der Unternehmen in Polen im 1. Quartal 2019 vom 12.04.2019