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IFRS 15 – Erlöse aus Verträgen mit Kunden (Teil 2)

Aleksandra SYSIAK
Audit Junior Manager bei RSM Poland

Fünfstufiges Modell: Identifizierung des Vertrags

Im ersten Schritt bei der Anwendung des IFRS 15 soll man feststellen, ob der jeweilige Vertrag überhaupt existiert und mit dem jeweiligen Kunden abgeschlossen wurde.

Laut der in dem Standard enthaltenen Definition ist der Vertrag eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Parteien, die zu rechtlich durchsetzbaren Rechten und Pflichten führt. Der Kunde ist dagegen eine Partei, die mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen abgeschlossen hat, wofür das Unternehmen von ihm eine Gegenleistung erhält.

Zwar lässt der Standard eine Möglichkeit zu, die Verträge schriftlich, mündlich oder stillschweigend aufgrund der gewöhnlichen Praktiken des jeweiligen Unternehmens abzuschließen, aber die Erfassung des Vertrags erfolgt ausschließlich im Falle der Erfüllung aller unten genannten Kriterien:

  • die Parteien des Vertrags stimmten dem Vertrag zu und sind verpflichtet, ihre Pflichten zu erfüllen;
  • die Rechte jeder Partei in Bezug auf die zu übertragenden Waren oder die zu erbringenden Dienstleistungen können durch das Unternehmen identifiziert werden;
  • die Zahlungsbedingungen für die zu übertragenden Waren oder die zu erbringenden Dienstleistungen können durch das Unternehmen identifiziert werden;
  • der Vertrag hat wirtschaftliche Substanz;
  • es ist wahrscheinlich, dass die Gegenleistung, auf die das Unternehmen im Austausch für die Waren oder Dienstleistungen ein Anrecht hat, vereinnahmt wird (HINWEIS: bei Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der Vereinnahmung einer Gegenleistung hat das Unternehmen ausschließlich die Zahlungsfähigkeit und Zahlungsabsicht des Kunden zu berücksichtigen).

Erfüllt der Vertrag mit dem jeweiligen Kunden alle vorgenannten Kriterien bei dem Abschluss, dann braucht das Unternehmen keine Neubeurteilungen dieser Kriterien durchzuführen, es sei denn, es gibt Voraussetzungen für wesentliche Änderung von Tatsachen und Umständen (z.B. die Zahlungsfähigkeit des Kunden verschlechterte sich deutlich).

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BEISPIEL 1

Ein Unternehmen schloss einen sechsmonatigen Vertrag über Erbringung von Dienstleistungen vom 1. Januar bis 30. Juni 201X ab. Das Honorar für Dienstleistungen wurde für 1.000 Einheiten (Einh.) bestimmt. Im Vertrag gibt es keine Bestimmungen über die Möglichkeit der vorzeitigen Vertragskündigung bzw. dessen Verlängerung nach Ablauf von 6 Monaten.

Im Juli und August setzte das Unternehmen aufgrund des beidseitigen Interesses die Erbringung der Dienstleistungen fort und erhielt dagegen ein Honorar. Damals wurden jedoch die Verhandlungen geführt, die am 1. September mit dem Abschluss eines neuen Vertrags beendet wurden, welcher die Erhöhung des monatlichen Honorars auf 1.200 Einh. vorsieht. Der Vertrag ist rückwirkend (seit 1. Juli) wirksam.

Erbringung der Dienstleistungen durch das Unternehmen und Erhalt des Honorars weisen auf Bestehen des Vertrags hin, obwohl im Juli und August kein Vertrag unterzeichnet wurde. Diese Situation ist jedoch im rechtlichen Sinne in Bezug auf die rechtlich durchsetzbaren Rechten und Pflichten der Parteien unter den neuen Umständen zu beurteilen. Stellt das Unternehmen fest, dass die rechtlich durchsetzbaren Rechten und Pflichten der Parteien bestehen, dann soll die Erfassung des Erlöses bloß aufgrund des fehlenden Vertrags zeitlich nicht verschoben werden.  

Und falls der Vertrag keine Kriterien für Erfassung erfüllt?

Dann wird das erhaltene Honorar als Verpflichtung erfasst, bis einer von zwei folgenden Ereignissen eintritt:

  • das Unternehmen hat keine anderen Verpflichtungen zu Übertragung der Waren oder Erbringung der Dienstleistungen und erhielt das gesamte oder beinahe das gesamte, ihm von dem Kunden zugesagte Honorar; oder
  • der Vertrag wurde aufgelöst und das von dem Kunden erhaltene Honorar unterliegt keiner Zurückzahlung.

Vertragsänderungen

Die Vertragsänderung kommt zustande, wenn die Parteien eine Änderung billigen, die zur Entstehung der neuen bzw. Änderung der bereits vorhandenen rechtlich durchsetzbaren Rechten und Pflichten führt. Wurde die Änderung des Vertragsumfangs von den Parteien genehmigt, aber eine entsprechende Preisänderung noch nicht vereinbart, dann berechnet das Unternehmen die Änderung des Transaktionspreises aufgrund der Vertragsänderung nach den im Standard genannten Methoden.

Verbindung mehrerer Verträge zu einem Vertrag

Ist eines der unten genannten Kriterien erfüllt, dann ist das Unternehmen dazu verpflichtet, zwei oder mehr Verträge als einen Vertrag zu behandeln:

  • die Verträge werden als Paket verhandelt und betreffen denselben kommerziellen Zweck;
  • die Höhe des im Rahmen eines Vertrags fälligen Honorars hängt von dem Preis bzw. der Durchführung eines anderen Vertrags ab;
  • die in den Verträgen zugesagten Waren oder Dienstleistungen (bzw. ein Teil davon) gelten als eigenständige Leistungsverpflichtung. 

Was ist eine eigenständige Leistungsverpflichtung? Das erläutern wir in dem nächsten Beitrag.  

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