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Wie sollte der Fiskus den Grundsatz des Vertrauensschutzes respektieren?

4 Oktober 2022

Wie sollte der Fiskus den Grundsatz des Vertrauensschutzes respektieren?

In diesem Beitrag erfahren Sie:

  • Wie sollen Steuerverfahren geführt werden?
  • Was ist der Grundsatz der Verfahrensführung in einer Weise, die Vertrauen in Finanzbehörden schafft?
  • Was ist bei der Führung eines Rechtsstreits mit den polnischen Finanzbehörden zu beachten?

 

Rafał PAZDYK
Junior Tax Consultant bei RSM Poland

 

Das alte Sprichwort besagt, dass „der Hochmut vor dem Fall kommt“. Davon überzeugten sich die lokalen Verwaltungsbehörden, die mit ihrem autoritären Handeln dem Steuerpflichtigen erschwerten, eine Investition durchzuführen. Zudem forderten sie dann die Steuer auf Gebäude, die der Investor noch nicht abgerissen hat. Das Woiwodschaftsverwaltungsgericht war mit einer solchen Vorgehensweise jedoch nicht einverstanden. Er wies auf viele Fehler der Finanzverwaltung hin und stellte sich auf die Seite des Steuerpflichtigen.

Zweifel an der Immobiliensteuer

Der Fall begann vor einigen Jahren. Der Unternehmer besaß ein bebautes landwirtschaftliches Grundstück, auf dem er Wohnungen bauen wollte. Die Gebäude waren in einem baulich schlechten Zustand, so dass der Investor zunächst mit dem Abriss begann. Bald darauf beschloss die Gemeinde jedoch, eine Straße zu bauen, die durch die Grundstücke des Unternehmers führen sollte. Dies bedeutete, dass der Investor den Abriss stoppen musste. Um die Verluste zu decken, begann er, seinen Anspruch auf den Schadensersatz für seine Rechte an den Grundstücken geltend zu machen. Seine Höhe wurde erst nach 7 Jahren festgelegt.

Während des Kampfes um Schadensersatz begann der Unternehmer Zweifel an der Immobiliensteuer zu haben und er beantragte die Erteilung eines Steuervorbescheids bei der Finanzbehörde der ersten Instanz – dem Bürgermeister.

Der Steuerpflichtige fragte, wie er seine Immobiliensteuererklärungen für die Jahre 2014-2019 korrigieren könne. Er überlegte, ob er davon ausgehen sollte, dass Immobilien nicht besteuert werden, weil sie nicht der Definition eines Gebäudes entsprechen, oder ob sie als Gebäude für landwirtschaftliche Tätigkeit von der Steuer befreit sind. Dieses Schriftstück veranlasste die Verwaltung zu einem völlig unerwarteten Manöver – nämlich sie leitete gegen den Unternehmer ein Steuerverfahren im Bereich der Immobiliensteuer für die Jahre 2014-2018 ein.

Der Bürgermeister erließ einen Steuerbescheid, gegen die der Steuerpflichtige Einspruch beim Berufungskollegium der Selbstverwaltung (SKO) einlegte. Die Berufungsinstanz bestätigte den Bescheid des Bürgermeisters, reduzierte jedoch die Höhe der Steuer und erklärte, dass die Behörden aufgrund der begonnenen und ausgesetzten Abrissarbeiten nicht in der Lage seien, die Nutzfläche des Gebäudes zu bestimmen.

Der Investor legte die Beschwerde gegen diesen Bescheid an das Verwaltungsgericht ein, das keinen trockenen Faden an den Finanzbehörden ließ und endgültig deren Entscheidungen aufhob.

Welche Fehler hat die polnische Finanzverwaltung begangen?

Zuerst wies das Gericht auf eine Schlüsselfrage hin – den von dem Steuerpflichtigen gestellten Antrag auf Erteilung des Steuervorbescheids.

Der Unternehmer stellte am 30. Mai 2019 einen Antrag auf Erteilung des Steuervorbescheids, und die Entscheidung über die Einleitung eines Steuerverfahrens in dem Fall, auf den sich der Antrag bezieht, wurde ihm am 3. September 2019 zugestellt. Die Vorschriften über Erteilung der Steuervorbescheide sehen vor, dass die Behörde 3 Monate Zeit hat, um über den Fall zu entscheiden. Hält die Verwaltung diese Frist nicht ein, dann nimmt man an, dass ein stillschweigender Steuervorbescheid erteilt wurde – d. h. die Stellungnahme des Antragstellers im Ganzen bestätigt wird.

Eine individuelle Auslegung hat eine besondere Schutzkraft – die Beachtung ihres Inhalts darf dem Antragsteller nicht schaden (auch wenn sie bei der endgültigen Beilegung des Steuerfalls nicht berücksichtigt wird). In dem Fall, den wir diskutierten, hatte der Steuerpflichtige einen Steuervorbescheid, in dem (durch Schweigen) bestätigt wurde, dass er keine Immobiliensteuer zahlen muss.

Daher war das Vorgehen der Finanzbehörden unbegründet, aber dennoch machten sie weiter.

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Rechtsvorschriften gelten auch für die Verwaltung

Das Gericht wies auf die Handlungen der lokalen Behörden hin, die die Investition und den Abriss behinderten, was sich auf die Rechtslage des Unternehmers auswirkte. Einer der Beweise für die mangelnde Bereitschaft, die Sache schnell und gütlich beizulegen, war der 7-jährige Prozess zur Festlegung des Schadensersatzes. Der Spruchkörper wies darauf hin, dass solche Handlungen umso erstaunlicher sind, als der Neubau der Kommune viel höhere Einnahmen in den Haushalt bringen würde. Die Immobiliensteuergelder würden den Betrag übersteigen, den die Behörden im Rahmen des nachträglich eingeleiteten Verfahrens geltend machten.

Das Gericht beurteilte auch kritisch die Tatsache, dass die Behörden das Verfahren eingeleitet hatten, als ihnen bekannt war, dass es aufgrund der Abbrucharbeiten und Straßeninvestitionen der Gemeinde nicht möglich war, die Nutzfläche der Gebäude erfolgreich zu berechnen. Und doch ist es bei der Immobiliensteuer gerade die Fläche, die die Bemessungsgrundlage bestimmt. Da sie nicht festgestellt werden konnte, war es auch nicht möglich, die Immobilie zu besteuern. In diesem Zusammenhang stellte das Gericht eine Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte sowie der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

Gleichzeitig stellte das Gericht fest, dass die Finanzverwaltung bei der Führung dieser Sache den Anforderungen vieler Steuerverfahrensregeln nicht genügt habe.

Die Behörden haben nicht alle notwendigen Maßnahmen ergriffen, um den Sachverhalt gründlich zu klären und die Sache beizulegen. Darüber hinaus habe die Finanzverwaltung die Beweise nicht erhoben und nicht erschöpfend geprüft. Das Gericht hatte auch Zweifel daran, ob die Umstände dieses Verfahrens ordnungsgemäß nachgewiesen worden waren. Der Mangel an Sorgfalt ist u.a. dadurch belegt, dass die Behörden die Beweisanträge aus der Vernehmung von Zeugen – einschließlich Vernehmung des Bau- und Abbruchleiters – nicht berücksichtigt haben.

Die Bestimmungen der Abgabenordnung verpflichten die Finanzverwaltung, die von den Parteien erhobenen Ansprüche auf Beweisaufnahme zu berücksichtigen, wenn es sich bei den Beweismitteln um Umstände handelt, die für den Fall relevant sind und sie nicht durch andere Beweise bestätigt wurden.

Die Erklärung über die Fläche von Gebäuden – die zudem grundsätzlich hinfällig geworden ist – konnte nicht der einzige Beweis für die Unrichtigkeit der Stellungnahme des Steuerpflichtigen sein.

Finanzbehörden müssen so handeln, dass sie unser Vertrauen wecken

Ganz zum Schluss wies das Gericht darauf hin – und ich halte diesen Aspekt des Urteils für äußerst interessant und entscheidend – dass die Finanzverwaltung den Grundsatz der Führung des Verfahrens in einer Weise, die Vertrauen in die Finanzbehörden schafft, nicht eingehalten hatte.

Dieser Grundsatz verlangt von den Behörden, so zu handeln, dass der Steuerpflichtige davon überzeugt ist, dass das Verfahren in seinem Fall in Übereinstimmung mit den sich aus den Rechtsvorschriften ergebenden Grundsätzen durchgeführt wird, und die Finanzverwaltung respektiert die Rechte der Verfahrensbeteiligten, erfüllt ihre Verpflichtungen und strebt einen reibungslosen und erfolgreichen Abschluss des Falles an. Es ist am besten, diesen Aspekt zu erklären, indem die Gerichtsentscheidung aufgeführt wird:

„Als ein solches [d.h. in einer Weise geführtes, die Vertrauen in die Finanzbehörden schafft Anmerkung der Autorin] darf nicht dasjenige Verfahren angesehen werden, das Teil von Vergeltung gegen den Steuerpflichtigen wird. So ist die Vorgehensweise der erstinstanzlichen Finanzbehörde, das von der SKO akzeptiert wurde, zu beurteilen. Obwohl das Verfahren selbst vor Ablauf der Verjährungsfrist eingeleitet wurde, sollte diese Behörde unter den Umständen des vorliegenden Falles unter Berücksichtigung des Wortlauts von Art. 123 § 1 AO, der den Grundsatz der Schnelligkeit des Verfahrens regelt, das Steuerverfahren schnell genug einleiten, um es zuverlässig führen zu können. Es ist inakzeptabel, die Illusion zu schaffen, dass es geführt wird. Die Finanzbehörden beider Instanzen vergessen, dass die Autorität des Staates selbst und seiner Behörden von der rechtlichen Qualität ihres Handelns abhängt. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gilt als eine Schnalle, die die gesamten allgemeinen Verhaltensregeln zusammenhält.“*

* Urteil des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts Wrocław vom 20.06.2022, I SA/Wr 723/20.
 

Der Spruchkörper kam zu dem Schluss, dass das Verhalten der Behörden gegen das Verfassungsgebot der Achtung und des Schutzes der Menschenwürde verstoßen hatte. Aus dieser Vorschrift leitet sich das Recht auf ein faires Verfahren ab – die Führung eines Verfahrens in einer Weise, die einen Bürger zur Verzweiflung führt, ist jedoch sicherlich kein Ausdruck der Achtung seiner Würde.

Infolgedessen konnte das Gericht nicht anders handeln – es musste die Entscheidungen der Behörden aufheben.

Es lohnt sich, mit den Finanzbehörden für eigene Rechte zu kämpfen

Nach der Analyse dieses Falles können wir einige wichtige Schlussfolgerungen ziehen, die uns bei Rechtsstreiten mit den Finanzbehörden helfen werden.

Zunächst erinnern wir uns daran, wie wichtig ein Steuervorbescheid ist. Das Beachten des Wortlauts des Steuervorbescheids – unabhängig davon, ob die Behörde mit der Beurteilung der Rechtsfolgen durch den Steuerpflichtigen einverstanden ist oder nicht – verleiht uns eine besondere Schutzkraft. In der Rechtsprechung weisen Verwaltungsgerichte darauf hin, dass der Ausdruck "darf nicht schaden" bedeutet, dass in Bezug auf einen Steuerpflichtigen, der einen Steuervorbescheid vor dessen Änderung beachtet hat, die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Berechnung der Zinsen ausgeschlossen sind. Manchmal wird man auch von der Pflicht befreit, die Steuer zu zahlen.

Darüber hinaus müssen wir die Art und Weise, wie Finanzbehörden Verfahren führen, kritisch analysieren und beurteilen. Die Abgabenordnung enthält Vorschriften über die Art und Weise der Verfahrensführung sowie bestimmte ethische Modelle. In Bezug auf die Verfahrensregeln geht es unter anderem darum, die zuverlässige Methode der Erhebung, Bewertung oder Zulassung von Beweismitteln im Verfahren zu überprüfen – es lohnt sich also, darauf zu achten, ob die Behörden alle notwendigen Maßnahmen ergriffen haben, um den Sachverhalt zu klären und den Fall beizulegen. Wird eine aktive Beteiligung der Parteien am Verfahren durch die Tätigkeiten der Finanzverwaltung sichergestellt? Handeln die Behörden schnell und verständlich?

Schließlich sollten wir auch darauf achten, ob das Handeln des Finanzamtes Vertrauen und die Überzeugung in uns weckt, dass das Verfahren den Vorschriften entspricht. Wie aus dem Beispiel des analysierten Falles hervorgeht, können die Behörden – die nicht nur versuchen, die Steuer zu erheben, sondern auch andere Ziele zu erreichen (in dem analysierten Fall, der direkt vom Gericht als "Vergeltung" definiert wird) – manchmal grundlegende Bürgerrechte verletzen.

Der Fall, den wir diskutieren, hat zwar dem Steuerpflichtigen viele Sorgen bereitet, aber glücklich zu Ende gegangen und macht uns letztlich klar, dass wir mit den Finanzbehörden für unsere Rechte kämpfen müssen. Gerichte stellen sich häufig auf die Seite der Steuerpflichtigen und sind in der Lage, über eine formelle Prüfung des Verfahrensablaufs hinauszugehen, um dessen breiteren Aspekt zu berücksichtigen. Es ist zu beachten, dass die allgemeinen Regeln des Steuerverfahrens – wie der Grundsatz des Vertrauensschutzes – selbst die Grundlage für die Aufhebung der Entscheidung der Behörden bilden können.

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