Am 13. Dezember 2017 entschied das Verfassungsgericht (VfG) mit dem Urteil Az. 48/15 die Zweifel in Bezug auf die Immobiliensteuer zugunsten des Steuerpflichtigen gemäß dem Grundsatz in dubio pro tributario. Das Problem, das an das Verfassungsgericht weitergeleitet wurde, betraf die Zweifel in Bezug auf die Anerkennung einer Baut als ein Bauwerk, das die Kriterien der Definition eines Gebäudes erfüllt. Die Entscheidung dieses Rechtsstreits ist relevant für Unternehmer – insbesondere diese, die in den Gebäuden die Anlagen haben.
Gemäß der juristischen Definition, die in Art. 1a Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über örtliche Steuern und Gebühren (im Weiteren: ÖStGebG) enthalten ist, gilt als ein Gebäude ein Bauwerk im Sinne der baurechtlichen Vorschriften, das mit einem Grundstück fest verbunden ist, von einem Raum mit den Bautrennwänden abgegrenzt ist sowie Fundamente und ein Dach hat. Nach Art. 1a Abs. 1 Nr. 2 ÖStGebG gilt dagegen als eine Baut ein Bauwerk im Sinne der baurechtlichen Vorschriften, das weder ein Gebäude noch ein Kleinarchitekturobjekt ist, sowie eine mit einem Bauwerk in Zusammenhang stehende Baueinrichtung im Sinne der baurechtlichen Vorschriften, welche die Nutzung dieses Bauwerks gemäß seiner Bestimmung ermöglicht.
Da die Steuerbemessungsgrundlage für Gebäude und Bauten anders ist, kann eine falsche Einschätzung, mit welchem Bauwerk man zu tun hat, negative Konsequenzen für den jeweiligen Steuerpflichtigen haben. Gemäß Art. 5 ÖStGebG ist die Steuer auf ein Gebäude in Bezug auf seine Nutzfläche, dagegen auf eine Baut in Bezug auf ihren Wert zu berechnen. Leider wurde die juristische Definition von Gebäuden und Bauten durch die Gerichte und Finanzbehörden oft zu weit ausgelegt. Infolgedessen wurde die Bemessungsgrundlage zuungunsten der Steuerpflichtigen festgelegt.
Aufgrund dieser Streite wurde bei dem Verfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. In der Beschwerde stellte man die Verletzung der Verfassung der Republik Polen durch eine einheitliche Interpretationslinie der Finanzbehörden und Verwaltungsgerichte fest. Aufgrund dieser Interpretationslinie wurden die Bauwerke, welche die Kriterien der Anerkennung als Gebäude gemäß der Definition nach Art.1a Abs. 1 Nr. 1 ÖStGebG bereits erfüllten, als Bauten gemäß der Definition nach Art. 1a Abs. 1 Nr. 2 wieder eingestuft.
Die Finanzbehörden und Verwaltungsgerichte bezogen sich auf die sprachliche und teleologische Auslegung der vorgenannten Definitionen. Gemäß der sprachlichen Auslegung nahm man an, dass falls der Gesetzgeber in der Definition einer Baut nicht vorbehielt, dass sie keinesfalls als ein Gebäude eingestuft werden darf, ist nicht ausgeschlossen, dass manche Gebäude als Bauten einzustufen sind. Dagegen stützte sich die teleologische Auslegung auf eine Behauptung, dass falls manche Gebäude als Bauten eingestuft werden können, sollen sie dadurch wieder eingestuft werden, dass man den Bezug auf die Funktion des jeweiligen Bauwerks nimmt, wobei u.a. seine Bestimmung, Ausstattung und Nutzungsmöglichkeiten berücksichtigt werden.
Das Verfassungsgericht hielt die vorgenannte Argumentation für unbegründet. Aufgrund der angenommenen sprachlichen Argumentation wies es auf die fehlende Logik solcher Annahmen hin. Die Berücksichtigung der Voraussetzungen für eine teleologische Auslegung würde dagegen eine erweiternde Auslegung der Definition einer Baut und im Endeffekt eine verengende Auslegung der Definition eines Gebäudes zur Folge haben. Das Verfassungsgericht stellte fest, dass die Akzeptanz für das Vorgenannte zum Eingriff in den Wortlaut der juristischen Definition sowie zu einer erneuten Auslegung der Steuervorschriften zuungunsten des Steuerpflichtigen führen würde. Durch solch ein Handeln wird den Steuerpflichtigen die Rechtssicherheit nach Art. 84 i.V.m. Art. 217 der Verfassung der Republik Polen nicht gewährleistet. In dem Urteil berief sich das Verfassungsgericht auch auf den Grundsatz in dubio pro tributario, der eine grundlegende Bedeutung für die Auslegung des Steuerrechts hat. Dieser Grundsatz sieht vor, dass falls eine eindeutige Auslegung der Vorschriften gewonnen wird, soll sie von dem Ausleger durch eine funktionale (darunter auch teleologische Argumentation) nicht modifiziert werden, wenn dies die Verschlechterung der Rechtslage des jeweiligen Steuerpflichtigen verursachen würde. Liefert das erzielte Ergebnis keine eindeutige Auslegung, dann ist eine Auswahl dadurch vorzunehmen, dass man auf das Ergebnis hinweist, welches für den Empfänger der jeweiligen Vorschrift am günstigsten ist. Das Verfassungsgericht stellte fest, dass die funktionale, darunter die teleologische Argumentation keinesfalls die Erhöhung der steuerlichen Belastungen zur Folge haben kann.
Für Steuerpflichtige bedeutet dies eins – Ende der Streite um die Anerkennung der Gebäude als Bauten. Die Rechtsstreite mit den Finanzbehörden und Gerichten betrafen grundsätzlich die Gebäude, in denen sich technische Anlagen befanden. In der gefestigten Interpretationslinie bediente man sich nämlich folgender Argumentation, die darüber hinausging, was in dem Gesetz festgestellt wurde: ein Gebäude gilt nur als ein Gehäuse für eine Anlage, die sich drinnen befindet, deswegen ist es als eine Baut einzustufen. Solch eine Auslegung der Finanzbehörden und Verwaltungsgerichte war erweiternd, denn sie ging darüber hinaus, was in dem Gesetz genannt wurde. Erfüllt also ein Bauwerk eine juristische Definition nach Art.1a Abs. 1 Nr. 1 ÖStGebG, d.h. es ist von einem Raum mit den Bautrennwänden abgegrenzt sowie hat Fundamente und ein Dach, dann gilt es als ein Gebäude und nicht als eine Baut.
Es lohnt sich also, aufgrund des Urteils des Verfassungsgerichts die eigene Situation zu analysieren. Ist nämlich die Vorschrift, auf welche sich die bisherige Entscheidung des Rechtsstreits stützte, mit der Verfassung nicht vereinbar, dann kann man gemäß Art. 145a §1 Verwaltungsverfahrensgesetz (KPA) die erneute Prüfung des Rechtsstreits verlangen, sogar dann, wenn er mit einer rechtskräftigen Entscheidung endete.
Sollten Sie Fragen dazu haben oder möchten Sie dieses Thema näher besprechen, dann steht Ihnen unser Experte Przemysław POWIERZA jederzeit gerne zur Verfügung.
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