Verrechnungspreise: Gruppierung der Transaktionen im Sinne der neuen Vorschriften
Obwohl die neuen Verrechnungspreisvorschriften erst seit einigen Monaten gelten, erschienen schon sehr widersprüchliche Standpunkte zur Gruppierung der Transaktionen zwecks Ermittlung, ob die gesetzlich bestimmte Schwelle überschritten wurde, die den Steuerpflichtigen verpflichtet, eine Verrechnungspreisdokumentation zu erstellen. Nach Auffassung des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts (WSA) Kraków (Urteil vom 23. Februar 2017, Az. I SA/Kr 1290/16) lässt sich aufgrund der sprachlichen Auslegung des neu hinzugefügten Art. 9a Abs. 1d des Körperschaftsteuergesetzes (KStG-PL) schlussfolgern, dass sich die Formulierung "einer Art" nicht auf die "Transaktionen", sondern ausschließlich auf "andere Vorfälle" bezieht. Somit ist es bei der Überprüfung der Transaktionsschwelle notwendig, dass ein Steuerpflichtiger alle mit den verbundenen Unternehmen abgewickelten Transaktionen addiert. Einen anderen Standpunkt vertritt dagegen der Leiter der Oberfinanzdirektion Poznań (individuelle Interpretation vom 3. Februar 2017 mit dem Zeichen 3063-ILPB2.4510.207.2016.1.ŁM), der meint, dass man die vorgenannte Transaktionsschwelle separat auf jede mit dem jeweiligen verbundenen Unternehmen abgeschlossene Transaktion beziehen soll.
WSA KRAKÓW ZU UNGUNSTEN DER STEUERPFLICHTIGEN
Die Rechtssache betraf eine Gesellschaft, die annahm, dass sie 2017 bei den verbundenen Unternehmen die Dienstleistungen – u.a. die Markenlizenzen, IT-, Buchführungs- und Marktforschungsdienstleistungen sowie die Sachanlagen und Büroausstattung (Hardware) erwerben wird. Darüber hinaus sollte die Gesellschaft an verbundene Unternehmen die Steuerberatungsdienstleistungen erbringen, Immobilien verpachten sowie sie hatte vor, an diese Unternehmen Darlehen zu gewähren.
Die Gesellschaft fragte, ob sie gemäß der Auslegung der ab 1. Januar 2017 geltenden Vorschriften verpflichtet sein wird, alle Transaktionen mit verbundenen Unternehmen zu addieren oder nur diese Transaktionen, die als Transaktionen einer Art gelten. Die Gesellschaft vertrat den Standpunkt, dass die Erbringung bzw. der Erwerb solch verschiedener Dienstleistungen wie z.B. Vergabe von Lizenzen und Gewährung von Darlehen die Pflicht zur Addition ihrer Werte ausschließt. Nach Auffassung der Gesellschaft betrifft die im Art. 9a Abs. 1d KStG-PL enthaltene Formulierung "einer Art" auch Transaktionen und bei der Gruppierung der Transaktionen hat man u.a. die ausgeübten Funktionen, die von den Parteien eingesetzten Aktiva, getragenen Risiken und Kosten zu berücksichtigen.
Der Finanzminister teilte diesen Standpunkt in der individuellen Interpretation vom 15. Juli 2016 jedoch nicht. Er wies darauf hin, dass durch die Anwendung der Alternative "oder" der Gesetzgeber voreilig darüber entschied, dass die Bezeichnung "einer Art" nur "andere Vorfälle" betrifft. Zur Bestätigung seines Standpunkts zitierte er den Inhalt des Art. 9a Abs. 1 Nr. 1 KStG-PL und er wies darauf hin, dass der Gesetzgeber durch Platzieren der Transaktionen und anderer Vorfälle in den separaten redaktionellen Abschnitten dieser Vorschrift (unter Buchstaben a und b) die Notwendigkeit deren separaten Behandlung zum Ausdruck bringt.
Bei Prüfung der Beschwerde der Gesellschaft teilte das Woiwodschaftsverwaltungsgericht die in der angefochtenen individuellen Interpretation präsentierte Meinung (das Urteil wurde erlassen, jedoch zum Tag der Veröffentlichung des Tax Alerts ist es noch nicht rechtskräftig). In Bezug auf den Kern des Rechtsstreits stellte das Gericht fest, dass die Art und Weise der Redaktion dieser Vorschrift darauf hinweist, dass der Gesetzgeber die Formulierung "einer Art" ausschließlich "anderen Vorfällen" zuordnen wollte. Zur Bestätigung der Auslegung des Finanzministers betonte das Woiwodschaftsverwaltungsgericht, dass sowohl der exakte Wortlaut der Vorschrift, d.h. die Anwendung der Alternative "oder", als auch das Platzieren der Begriffe "Transaktionen" und "andere Vorfälle" in den separaten redaktionellen Abschnitten des Art. 9a Abs. 1 Nr. 1 KStG-PL schlussfolgern lässt, dass es die Absicht des Gesetzgebers war, die besprochene Formulierung nur auf "andere Vorfälle" zu beziehen. Das Woiwodschaftsverwaltungsgericht behauptete: Angesichts des Vorgenannten ist es gerechtfertigt anzunehmen, dass die Transaktionen mit verbundenen Unternehmen nicht derselben Art sein müssen, damit sie der Dokumentationspflicht in Bezug auf ihren Gesamtwert unterliegen, denn der Gesetzgeber bezieht solch ein Merkmal darauf nicht.
LEITER DER OBERFINANZDIREKTION POZNAŃ ANDERER MEINUNG
Zu anderen Schlüssen kam dagegen der Leiter der Oberfinanzdirektion Poznań in der individuellen Interpretation vom 3. Februar 2017 mit dem Zeichen 3063-ILPB2.4510.207.2016.1.ŁM. Die Rechtssache betraf einen Steuerpflichtigen, der Transaktionen verschiedener Art mit verbundenen Unternehmen abwickelte, d.h. vom Wassernetzbau über Wasseruntersuchung bis auf Mietdienstleistungen, wobei nur einige davon seine grundlegende Geschäftstätigkeit bildeten, während die anderen nur Nebentransaktionen waren und sich an seinen Betriebseinnahmen/Betriebsausgaben in einem geringen Maße beteiligten.
Der Steuerpflichtige wandte sich an die Finanzbehörde mit der Frage, ob man im Wortlaut der ab 1. Januar 2017 geltenden Vorschriften die Schwelle für die für Einkünfte (Verlust) des Steuerpflichtigen wesentlichen Transaktionen separat auf jede Transaktion mit dem jeweiligen verbundenen Unternehmen beziehen soll. Die Finanzbehörde berief sich auf den Bericht über öffentliche Konsultationen, der im Laufe der Arbeiten über die Gesetzesänderung erstellt wurde (veröffentlicht auf der Webseite des Gesetzgebungszentrums der Regierung am 17. Juni 2015), gemäß welchem das Wesentlichkeitskriterium nach Auffassung des Finanzministers die einzelnen Transaktionen oder andere Vorfälle betrifft, die zwischen den verbundenen Unternehmen zustande kommen, und sie stellte fest, dass sowohl die Wertschwellen, als auch das Wesentlichkeitskriterium in Bezug auf die einzelnen (Arten) sowohl der Transaktionen, als auch anderer Vorfälle angewendet werden sollen. Nach Auffassung des Leiters der Oberfinanzdirektion Poznań ist also die in Art. 9a Abs. 1d KStG-PL genannte Höchstgrenze separat auf jede mit dem jeweiligen verbundenen Unternehmen abgewickelte Transaktion zu beziehen.
Zur Bestätigung seines Standpunkts berief sich der Leiter der Oberfinanzdirektion Poznań auf die Schlüsse aus den OECD-Arbeiten. Die Behörde vertritt den Standpunkt, dass sich die Dokumentationspflicht gemäß den OECD-Leitlinien auf materielle Transaktionen konzentrieren und die Dokumentation somit die Analyse der wichtigsten Fragen bezüglich dieser Transaktionen enthalten soll. Darüber hinaus weisen die OECD-Leitlinien darauf hin, dass die Finanzbehörden bei der Auferlegung den Steuerpflichtigen der Dokumentationspflicht die voraussichtlichen Kosten sowie die Verwaltungslast in Zusammenhang mit der Erstellung solch einer Dokumentation in Betracht ziehen sollen. (…) Aus diesem Grund soll laut OECD- Leitlinien im Vordergrund der Änderungen im Bereich der Dokumentierung der Transaktionen mit verbundenen Unternehmen eine gründliche Analyse von wesentlichen Transaktionen innerhalb der Unternehmensgruppe und nicht der Nebentransaktionen von einer geringen Bedeutung stehen.
ZUSAMMENFASSUNG
Zurzeit lässt sich nicht feststellen, welcher der vorgenannten Standpunkte leitend sein wird. In der Entscheidung des Woiwodschaftsverwaltungsgerichts wurde die sprachliche Auslegung der Vorschrift präsentiert. Die Frage ist, ob sie ausreichend ist, um die in der Vorschrift enthaltene Rechtsnorm zu definieren. Hatte nämlich der Gesetzgeber die Absicht, den Unternehmen eine zusätzliche Dokumentationspflicht auferlegen, die sich auf alle Transaktion bezieht? Unserer Meinung nach – nein. Zur Bestimmung der Rechtsnorm soll das Woiwodschaftsverwaltungsgericht die Rücksicht nicht nur auf die redaktionelle Maßnahme, sondern auch auf das Ziel der Regelung nehmen. Zwar platzierte der Gesetzgeber die "Transaktionen" und "andere Vorfälle" in den separaten redaktionellen Abschnitten des Art. 9a Abs. 1 Nr. 1 KStG-PL, aber dies alleine soll unserer Meinung nach nicht dafür sprechen, dass der Gesetzgeber das Merkmal der Einheitlichkeit ausschließlich auf "andere Vorfälle" bezieht.
Zweifelsohne setzt sich der Gesetzgeber zum Ziel, den Finanzbehörden den Zugriff auf Informationen über die Transaktionen zwischen den verbundenen Unternehmen sicherzustellen, welche die Steuerverkürzung zur Folge haben können. Die Frage ist, ob sich der Erwerb von z.B. 20 Kugelschreibern von je 10 PLN auf das Interesse des Fiskus genauso stark wie der Erwerb von Marketingdienstleistungen mit dem Wert von 1 Mio. PLN auswirkt. Gemäß der durch das Woiwodschaftsverwaltungsgericht präsentierten Auslegung soll nämlich das jeweilige Unternehmen die Werte dieser Transaktionen addieren und die Verrechnungspreisdokumentation für beide vorgenannte Vorfälle erstellen (was aus geschäftlicher Sicht keinen Sinn hat).
Trotz dieser Zweifel wird für die Sicherheit der Steuerpflichtigen empfohlen, sich nach der durch das Woiwodschaftsverwaltungsgericht präsentierten Auslegung zu richten und auf weitere Entscheidungen in diesem Bereich zu warten bzw. die Vergabe einer individuellen Interpretation zu beantragen.
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